Zurück

Viollier Preis 2022

14.07.2022
Der Viollier Preis wurde dieses Jahr zum 20. Mal anlässlich der Frühjahrsversammlung der Schweiz. Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin (SGAIM) in Lausanne vergeben.

Die Jury hatte die schwierige Aufgabe, aus den eingereichten Artikeln, die alle in hochkarätigen internationalen Zeitschriften mit hohem Impact Factor erschienen sind, den oder die Preisträgerin auszuwählen. Den mit 10’000 Franken dotierten Preis durfte nach geheimer Abstimmung Frau Dr. med. Stephanie Victoria Meier von Dr. med. Edouard H. Viollier, VR-Präsident, persönlich entgegennehmen, als Auszeichnung für die Arbeit

Serum neurofilament light chain for individual prognostication of disease activity in people with multiple sclerosis: a retrospective modelling and validation study,

die in Lancet Neurology publiziert wurde. Die Preisträgerin hat diese Arbeit mit der Forschungsgruppe um Prof. Dr. Dr. Jens Kuhle vom MS Zentrum der Universität Basel durchgeführt.

Neurofilamente sind zellspezifische, zytoskelettale Proteine, welche bei neuronaler Schädigung in den extrazellulären Raum freigesetzt werden und von dort aus in den Liquor und in Spuren auch ins Blut gelangen, wo sie nur mittels hochsensitiver Verfahren nachgewiesen werden können (Abb. 1). In der preisgekrönten Studie wurde, basierend auf den Neurofilament-Werten von 5390 Kontrollpersonen mit >10’000 Serumproben aus den USA und Europa, eine Referenzdatenbank entwickelt, welche die Interpretation der gemessenen Neurofilament-Konzentrationen beim einzelnen Patienten ermöglicht. Bis anhin war dies nur im Gruppenvergleich, z. B. im Rahmen von Medikamentenstudien möglich.

Für die Referenzdatenbank wurden die absoluten sNfL-Werte in Alters- und BMI-korrigierte sNfL-Perzentilen und -Z-Scores umgewandelt, da die absoluten sNfL-Konzentrationen durch diese Faktoren beeinflusst werden. Hierdurch konnte die Trennschärfe dieses Biomarkers im Blut entscheidend erhöht werden. Basierend auf der Schweizer MS-Kohorte (SMSC) und dem Schwedischen MS-Register konnten die Autoren erstmals für einen Blutbiomarker zeigen, dass erhöhte sNfL-Konzentrationen bei MS-Patienten und -Patientinnen ein eindeutig erhöhtes Risiko für zukünftige Krankheitsaktivität voraussagen.

Bemerkenswert ist, dass mit dieser präzisen Methode erhöhte Konzentrationen von sNfL auch bei den Patienten und Patientinnen festgestellt werden können, bei welchen die MS subklinisch aktiv ist, d. h. wo klinische und MRI-Untersuchungen einen stabilen Verlauf vortäuschen. Mit diesen für physiologische Unterschiede adjustierten sNfL-Werten konnte auch, basierend auf einem einheitlichen Messparameter, die Wirkung verschiedener bei MS eingesetzter Therapien objektiv miteinander verglichen werden. Die Messung von sNfL-Z-Scores bzw. -Perzentilen hat für MS-Betroffene eine unmittelbare praktische Bedeutung. Sie erleichtert bei Therapiebeginn oder -wechsel eine individuell angepasste Medikamentenauswahl und ermöglicht das Monitoring des Therapieeffektes mit höherer Sensitivität als mit den bisherigen klinischen und radiologischen Methoden.

Literatur: Pascal Benkert*, Stephanie Meier*, Sabine Schaedelin, Ali Manouchehrinia, Özgür Yaldizli, Aleksandra Maceski, Johanna Oechtering, Lutz Achtnichts, David Conen, Tobias Derfuss, Patrice H Lalive, Christian Mueller, Stefanie Müller, Yvonne Naegelin, Jorge R Oksenberg, Caroline Pot, Anke Salmen, Eline Willemse, Ingrid Kockum, Kaj Blennow, Henrik Zetterberg, Claudio Gobbi, Ludwig Kappos, Heinz Wiendl, Klaus Berger, Maria Pia Sormani, Cristina Granziera, Fredrik Piehl, David Leppert, Jens Kuhle, for the NfL Reference Database in the Swiss Multiple Sclerosis Cohort Study Group. Serum neurofilament light chain for individual prognostication of disease activity in people with multiple sclerosis: a retrospective modelling and validation study. Lancet Neurology 2022; 21: 246–57.